Das »Justitia Center for Advanced Studies« freut sich, seine neuen Postdoktorandinnen für das akademische Jahr 2024/25 bekannt geben zu können. Ausgezeichnete internationale Wissenschaftlerinnen kommen von Oktober 2024 bis Juli 2025 zu uns, und wir heißen sie herzlich willkommen. Justitia ist ein Forum für politische Theoretiker*innen und Philosoph*innen. Es wird von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung, der wir dafür sehr danken, finanziert und von Prof. Dr. Rainer Forst an der Goethe-Universität Frankfurt geleitet. Die Stipendiat*innen, die im Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg residieren werden, schließen sich der akademischen Gemeinschaft in Frankfurt und vor allem auch dem Netzwerk des Forschungszentrums »Normative Ordnungen« an, um hier ihre vielversprechenden Projekte durchzuführen. Das Zentrum organisiert darüber hinaus regelmäßig Workshops, Konferenzen und Seminare.
Clementina
Giulia Maria Gentile Fusillo hat 2021 in politischer Theorie an
der University of Warwick bei Andrew Mason und Michael Saward promoviert. Sie
promovierte mit einer Arbeit über die wahrheitsbezogenen moralischen
Anforderungen, die die liberale Demokratie an ihre Mitglieder stellt, sowohl an
Bürger als auch ihre Repräsentanten. Unter dem Titel "On the Virtues of
Truth: Generativity and the Demands of Democracy" (Über die Tugenden der
Wahrheit: Generativität und die Anforderungen der Demokratie) führt sie zwei
sich gegenseitig unterstützende Argumente an. Das erste betrifft einen
spezifisch demokratischen Begriff von Wahrhaftigkeit: Neben den bekannten
Tugenden der Genauigkeit (der Bereitschaft, alles in seiner Macht Stehende zu
tun, um zu wahren Überzeugungen zu gelangen) und der Aufrichtigkeit (der
Bereitschaft, das zu sagen, was man für wahr hält) erfordert dies auch
Generativität, eine dritte Tugend der Wahrheit, die als die Bereitschaft
definiert wird, das, was man als wahr erkennt, in etwas politisch Bedeutsames
zu verwandeln. Das zweite ist ein Argument über demokratische
Repräsentation: Vom Standpunkt des Repräsentanten aus betrachtet, kann diese
nicht nur als der alles entscheidende Autorisierungsprozess rekonzeptualisiert
werden, der demokratisches Regieren ermöglicht, sondern auch - für diejenigen,
die sich daran beteiligen - als ein wesentliches Training in der Tugend der
Generativität, und daher als ein der Demokratie inhärentes Mittel der
staatsbürgerlichen Erziehung. Neben den Themen ihrer Doktorarbeit verfolgt
Gentile Fusillo ein paralleles Projekt, das sich mit dem Denken des
italienischen christdemokratischen Politikers und Denkers Aldo Moro
beschäftigt. Seit dem Abschluss ihrer Promotion hat sie verschiedene Bereiche
ihrer Forschung weiterentwickelt, zunächst als Early Career Fellow am Warwick
Institute of Advanced Studies und später als Dozentin für Politics, Philosophy
and Economics an der University of Sheffield. Ihre Arbeit wurde in den
Zeitschriften Exchanges, Arendt Studies und The
European Journal of Political Theory veröffentlicht.
Larissa
Wallner promovierte 2023 an der Ludwig-Maximilians-Universität in
München mit einer Arbeit über Kants Darstellung der theoretischen
Produktivität. In ihrem 2024 erschienenen Buch untersucht sie die Entwicklung
innovativer Gedanken und origineller ästhetischer Formen in Kants Kritik der
reinen Vernunft und Kritik der Urteilskraft, ergänzt durch seine Anthropologie,
mit dem Fokus auf die Offenheit normativer, intellektueller Prozesse. In ihrem
aktuellen Forschungsprojekt untersucht sie die Fähigkeiten zur Anpassung, die
für eine widerstandsfähige Demokratie der Zukunft erforderlich sind.
Beeinflusst von Sheldon S. Wolins Democracy Inc. und
Habermas' Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit untersucht
das Projekt die Herausforderungen, die sich aus den zunehmenden globalen
Informationsflüssen, ihrer Komplexität, der digitalen Beschleunigung, der
gezielten Desinformation und der künstlichen Intelligenz im öffentlichen Raum
ergeben. Es fragt, ob diese Entwicklungen zu einer von Wolin diagnostizierten
Entpolitisierung des Demos oder zu einer Lähmung, Fragmentierung und
Desorientierung des politischen Handelns führen. Das Projekt sucht nach
Ressourcen für den Widerstand der Demokratie gegen die Auflösung der Politik in
der Wirtschaft, indem es sich auf Arendts und Kants Ideen zur Kritik, zu
regulativen Ideen und zum öffentlichen Gebrauch der Vernunft für politische
Urteile stützt. Zu Wallners weiteren Forschungsinteressen gehören Theorien der
Befreiung, Überschreitung und Emanzipation in der Ästhetik, der politischen
Philosophie und der Versuch, das kantische Denken für zeitgenössische Debatten
kritisch zu transformieren. Sie hat einen Magisterabschluss in Philosophie,
Literatur und Recht sowie ein erstes juristisches Staatsexamen an der
Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo sie auch zahlreiche Seminare
unterrichtet hat. Von 2017 bis 2024 war sie an der Freien Universität Berlin
und der Humboldt-Universität zu Berlin tätig.