Universitärer Diskurs zu Meinungsfreiheit findet bereits statt / Statement von Uni-Präsidentin Prof. Birgitta Wolff

Die Absage eines Vortrags von Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, durch die Frankfurter Forschungsstelle Globaler Islam wirft einige grundsätzliche Fragen zum Umgang mit dem Thema Meinungsfreiheit auf dem Campus auf. Darauf reagiert die Goethe-Universität u.a. mit einer außerordentlichen „Bürgeruniversität“. In einem Statement äußert sich Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff dazu:

Der inneruniversitäre Diskurs zum Thema Meinungsfreiheit findet an der Goethe-Universität bereits spätestens seit 2014 statt, als die Universität ihr Leitbild diskutierte und beschloss. Hier heißt es u.a.: „(…) Ihrer wechselvollen Geschichte kritisch verpflichtet, ist sie (die Goethe-Universität) geleitet von den Ideen der Europäischen Aufklärung, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit und wendet sich gegen Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus. Die Goethe-Universität ist ein Ort argumentativer Auseinandersetzung; Forschung und Lehre stehen in gesellschaftlicher Verantwortung (…)“

„Immer wieder gibt es Vorfälle und Themen, die eine Erörterung und Diskussion der praktischen Folgerungen aus diesem Leitbild notwendig machen“, sagte die Präsidentin der Goethe-Universität Prof. Dr. Birgitta Wolff. „Die Diskussion darüber, welche Kommunikations- und Verständigungskultur auf dem Campus wünschenswert und demokratisch geboten ist, setzen wir auch jetzt zeitnah fort“, kündigte Wolff an, „z.B. im Senat, im Asta Jour fixe, in der AG „Leitbild leben““.

Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen und Fragestellungen habe sich das Präsidium in Abstimmung mit dem Forschungsstelle Globaler Islam und dem Exzellenzcluster Herausbildung Normativer Ordnungen entschieden, am 19. Januar 2018 ab 19 Uhr eine Bürgeruniversität zum Thema „Meinungsfreiheit auf dem Campus“ zu veranstalten. „Im Rahmen dieser Veranstaltung besteht Gelegenheit, die auch in der Öffentlichkeit diskutierten Positionen und Argumente unmittelbar auszutauschen“, sagte Wolff, „u.a. auch mit einem der rund 60 Vertreter der Goethe-Uni, die gegen eine Einladung Wendts votiert hatten.“ Im laufenden Wintersemester finde zudem bereits – ebenfalls im Rahmen der Bürgeruni – eine Reihe statt, die das Thema Meinungsfreiheit und Fake-News adressiert.

Eines müsse klar sein, so Wolff: Positionen, die von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gedeckt seien, müssten im Rahmen der wissenschaftsgeleiteten Debatten selbstverständlich auch auf dem Campus offen angesprochen werden können. Dies gebiete der demokratische Respekt vor der Position des/der Andersdenkenden. Aufgabe der Universität sei ein wissenschaftsgestützter Diskurs über Positionen, nicht Tabuisierung. Ein Klima der Angst – ganz gleich von welcher Seite dieses geschürt werde – gefährde die Wissenschaftsfreiheit.

Auch in anderen strittigen Fällen sei diese Diskussion auf dem Campus bereits offensiv und kontrovers geführt worden, so Wolff. So sei im monatlichen Jour fixe mit dem AStA und im Senat zum Beispiel der Polizeieinsatz im Studierendenhaus im April 2017 als Reaktion auf Vandalismus an einem Frankfurter Hotel intensiv thematisiert worden. „Wir pflegen auf dem Campus eine offene Diskurskultur“, sagte Wolff. Aber auch hier gebe es Grenzen, wie der DFG-Präsident Peter Strohschneider in seiner Laudatio für die diesjährigen Träger des Hessischen Kulturpreises hervorgehoben habe: Hochschulen haben einen wissenschaftlichen Auftrag; ein politisches Mandat haben sie nicht. Wenn die Politik Meinungsfreiheit auf dem Campus fordere, so Wolff, dann stelle sich im Sinne der gesellschaftlichen Arbeitsteilung auch die Frage, welche Themen auf den Campus gehören und für welche eher die Parteien bzw. die Politik zuständig seien.

Wolff wies auch darauf hin, dass es zum Charakter einer Universität gehöre, dass Lehr- und Forschungseinrichtungen auch weiterhin Veranstaltungen in Eigenregie organisieren. Es sei genuiner Bestandteil der Forschungsfreiheit, dass diese dann eben nicht unter der Kontrolle der Universitätsleitung stehen: „Man kann sich nicht einerseits darüber beklagen, dass die Spielräume für dezentrale Forschungsfreiheit immer kleiner werden, andererseits jedoch in einem Fall wie diesem, bei der die gesamte Entscheidungskette für Einladung und Absage ohne vorherige Rücksprache mit dem Präsidium bei einer Professur lag, die Verantwortung der Uni-Leitung einfordern: Eine Universität ist kein Kindergarten und das Präsidium keine Meinungspolizei. Zur Forschungsfreiheit gehört es eben auch, dass an manchen Stellen nicht immer die aus Sicht der Unileitung wünschenswerten Entscheidungen getroffen werden. Wichtig ist, daraus zu lernen.“

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